Das Erbe

Vor 60 Jahren war noch einiges anders als heute, aber nicht, wie viele ältere Menschen behaupten, besser. In den großen Städten gab es noch zahlreiche Trümmergrundstücke, - Zeugen des vergangenen Krieges. Die damalige Elterngeneration hatte die schlimmen Zeiten, die sie erlebt, bzw. überlebt hatte, noch immer in ihren Herzen. Sie war vielfach ängstlicher und angepasster als die nachfolgende Generation, die zu erziehen sie antrat.
Es wurde viel auf die Meinung der Nachbarschaft geachtet und jegliche Obrigkeit sprich Beamte, Lehrer, Polizisten und Politiker hatten eingebaute Privilegien.
Das ist jetzt zum Glück anders, heute darf der Lehrer nicht mehr mit dem Rohrstock durch die Klasse laufen und der Politiker muss erst mal beweisen, dass er richtig liegt.
Ich bin dankbar, wenn ich auf meine Kindheit zurück blicke. Meine Eltern hatten immer ein offenes Ohr für uns Kinder - meinen Bruder und mich - doch Zeit war eigentlich Mangelware. Sie mussten ja mithelfen, Deutschland wieder aufzubauen und ihren Teil zu dem beitragen, was die heutige  Welt ausmacht.
In den Stunden, die sie uns aber widmeten, gehörten sie ausschließlich uns!
So lange wir klein waren, ließen sie uns toben und Abenteuer bestehen. Sie gingen mit uns in die Natur, fuhren in den Urlaub und ließen uns spielen und auf Bäume klettern,  bis wir dann abends erschöpft in die Betten fielen.
Fernseher und Computer standen noch nicht in Konkurrenz zur frischen Luft, sie waren schlichtweg noch nicht vorhanden!
Als wir dann zu Jugendlichen heran wuchsen, ließen sie uns unsere Freiheit, natürlich immer unter ihrer liebevollen Aufsicht. Obwohl wir so manche Gefahr mutwillig in unserer Gier nach dem Leben und unserem Drang nach Eroberungen gesucht haben, sind wir unbeschadet aus diesem Lebensalter heraus gewachsen.
Wie in vielen anderen Familien unterschieden sich die Charaktere unserer Eltern deutlich von einander.
So war mein Vater ein ,,Kind gebliebener" großer Junge, der am liebsten noch selbst mit auf den Baum geklettert wäre, den wir gerade erobert hatten. Anderen Menschen begegnete er ohne Argwohn und immer mit sehr viel Jovialität und Mitgefühl. Ihm verdanke ich meine ethischen Maßstäbe, meinen Lebensmut und meine Unbekümmertheit.
Unsere Mama dagegen erzog uns mit viel Sorgfalt und Vorsicht. Möhrengemüse und Spinat waren gesund und sollten tunlichst gegessen werden und das Zimmer musste ordentlich sein. Manchmal war sie meiner Meinung nach zu ängstlich um unser Wohl bemüht, denn häufig fühlte ich mich, wild wie ich war, in meiner Erfahrungssuche ausgebremst.
Während mein Vater der große Held meiner Kinderjahre war, mit ihm konnten wir die Welt erobern,




wurde meine Mutter meine wichtigste Jugendfreundin. Ihr konnte ich erzählen, wenn ich wieder einmal eine schlechte Note hatte, meine Pickel nicht verschwanden, oder mein Liebeskummer überhand nahm. Sie verstand mich immer.
Von ihr bekam ich meine Sensibilität, meine Empathie und meine Liebesfähigkeit.
Freilich können Eltern ihrem Kind ja nur das mitgeben, was sie in ihrer Persönlichkeit tragen, doch den größten Teil müssen wir selbst zu unserem,,Mensch sein" beitragen. Denn nur wir allein entscheiden, welche der Eigenschaften unserer Eltern uns entsprechen und von uns übernommen werden, - sprich auf fruchtbaren Boden fallen.
Das wichtigste Element bei meiner,, Ausbildung zu einem Erwachsenen " war die bedingungslose Liebe unserer Eltern, welche bei uns das Bewusstsein wachsen ließ, dass wir egal, was wir auch anstellten, immer auf ihre Hilfe bauen konnten.
Heute sind meine Eltern schon lange tot, aber ihre Liebe ist unsterblich und so leben all ihre Bemühungen in uns weiter und werden an unsere Kinder und Enkel weiter vererbt!
Auch wenn unsere Kinder schon erwachsen sind und schon lange ihren Partner gefunden haben oder selbst Eltern sind, wird sie  unsere Liebe und das ,,Erbe" ihrer Großeltern immer begleiten!

❤️

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